Zusammenfassung
Der systematische Einfluss der Person des Therapeuten bzw. seiner Persönlichkeitsstruktur auf den therapeutischen Prozess erscheint mir wenig untersucht. Dies betrifft selbstverständlich nicht nur die Behandlung Spätadoleszenter und junger Erwachsener. In der psychotherapeutischen Behandlung dieser Patientengruppe ist die Person des Therapeuten und die damit verbundene Einflussnahme auf den Behandlungsverlauf aber von herausragender Bedeutung. Innerhalb der Psychoanalyse wird ausführlich und anspruchsvoll über Gegenübertragungsphänomene, Verwicklungen in Behandlungen und Enactments diskutiert. Gerade unter Berücksichtigung der Konzepte von Übertragung und Gegenübertragung und der „helping alliance“ verwundert die Tatsache einer mangelnden Betrachtung der systematischen Einflussnahme durch die persönlichkeitsstrukturellen Merkmale auf den Behandlungsprozess sehr. Vielleicht hängt diese Lücke damit zusammen, dass eine Untersuchung dieses Gegenstands auch die Möglichkeit einer schädigenden, zumindest nicht förderlichen Einflussnahme auf den therapeutischen Prozess durch den Therapeuten in Erwägung ziehen muss.
„Die Zeit verwandelt uns nicht, sie entfaltet uns nur.“
Max Frisch
Der systematische Einfluss der Person des Therapeuten bzw. seiner Persönlichkeitsstruktur auf den therapeutischen Prozess erscheint mir wenig untersucht. Dies betrifft selbstverständlich nicht nur die Behandlung Spätadoleszenter und junger Erwachsener. In der psychotherapeutischen Behandlung dieser Patientengruppe ist die Person des Therapeuten und die damit verbundene Einflussnahme auf den Behandlungsverlauf aber von herausragender Bedeutung. Innerhalb der Psychoanalyse wird ausführlich und anspruchsvoll über Gegenübertragungsphänomene, Verwicklungen in Behandlungen und Enactments diskutiert. Gerade unter Berücksichtigung der Konzepte von Übertragung und Gegenübertragung und der „helping alliance“ verwundert die Tatsache einer mangelnden Betrachtung der systematischen Einflussnahme durch die persönlichkeitsstrukturellen Merkmale auf den Behandlungsprozess sehr. Vielleicht hängt diese Lücke damit zusammen, dass eine Untersuchung dieses Gegenstands auch die Möglichkeit einer schädigenden, zumindest nicht förderlichen Einflussnahme auf den therapeutischen Prozess durch den Therapeuten in Erwägung ziehen muss.
Die Unterstellung einer solchen systematischen Einflussnahme ist erst einmal banal. Dass es aber ausgesprochen lohnend ist, diesen Einflussfaktor ernst zu nehmen, hat sich mir in der jahrelangen stationären psychotherapeutischen Arbeit mit Spätadoleszenten und jungen Erwachsenen nachhaltig erschlossen. Nachdem ich in den zurückliegenden Jahren mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen im stationären Setting sehr eng in einem Doppelteam gearbeitet habe, hat sich mir der Einfluss der Persönlichkeitsorganisation des Therapeuten auf die Matrix der behandelten Gruppe und damit natürlich auch auf den therapeutischen Prozess in hoch evidenter Weise vermittelt.
Besonders negative Folgen und Verwicklungen im Behandlungsprozess ergeben sich dann, wenn Schwierigkeiten innerhalb der Gruppe oder mit einzelnen Patienten vorschnell und einseitig den Patienten oder ihrer Pathologie attribuiert werden. Spätadoleszente Patienten sind in ganz besonderer Art und Weise mit der Authentizität ihres Therapeuten/ihres therapeutischen Teams befasst. Dabei wird der Umgang mit eigenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten, mit Macht- und Ohnmachtsgefühlen besonders intensiv beobachtet. Eine nicht zutreffende „Umbuchung“ der Verantwortung für misslungene oder verwickelte Interaktionen dient dabei in der Regel der Bewältigung von eigenen Scham- und Hilflosigkeitsgefühlen aufseiten des Therapeuten. Da eine solche Verwicklung, wenn sie aus Persönlichkeitsvariablen des Therapeuten wesentlich mitgespeist wird, nur schwer aufzulösen sein wird, führt sie in der Regel zu einer erheblichen Zunahme gehandelter Botschaften, schlimmstenfalls zu einer Beendigung des Prozesses durch Abbruch der therapeutischen Beziehung durch Therapeut oder Patient.
Der Umgang mit Ohnmachts- und Unterlegenheitserleben und die Vermeidung schwer erträglicher Gefühlen von Angewiesenheit tritt in der Therapie von jungen Erwachsenen immer wieder in ganz verschiedenen Verkleidungen in Erscheinung, ist allerdings ein allgegenwärtiges Phänomen und stellt den Therapeuten immer wieder vor erhebliche Herausforderungen hinsichtlich der eigenen Affektkontrolle.

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