Zum Abschluss: Frau P.


Zusammenfassung

Nachdem zu Beginn dieses Buches eine junge Patientin mit einer Kurzgeschichte zu Wort gekommen ist, möchte ich mit einem Text der gleichen jungen Frau enden. Frau P. war nach dem Ende der stationären Psychotherapie mit der Bezugstherapeutin in lockerem E-Mail-Kontakt geblieben. Mehr als ein Jahr nach dem Behandlungsende erreichte die Kollegin eine längere Mail, aus der ich einige Abschnitte zitieren darf.


„Mir ist, als hätte man mir schon von jenem Zeitschub erzählt, der einen manchmal überrascht, wenn man die jugendlichsten, die meistgefeierten Jahre des Lebens durchquert.“

Marguerite Duras


Nachdem zu Beginn dieses Buches eine junge Patientin mit einer Kurzgeschichte zu Wort gekommen ist, möchte ich mit einem Text der gleichen jungen Frau enden. Frau P. war nach dem Ende der stationären Psychotherapie mit der Bezugstherapeutin in lockerem E-Mail-Kontakt geblieben. Mehr als ein Jahr nach dem Behandlungsende erreichte die Kollegin eine längere Mail, aus der ich einige Abschnitte zitieren darf.


Nachbetrachtung einer Patientin: E-Mail von Frau P.

Als das Semester anfing, waren meine Gefühle bezüglich des nun beginnenden Studiums noch sehr gemischt. Zum einen freute ich mich darauf, etwas Neues zu lernen, zum anderen aber, und dieser Teil überwog zu dem Zeitpunkt, hatte ich auch eine Menge Bedenken und war mir oftmals nicht sicher, ob ich den Anforderungen gewachsen sein würde … Nachdem eine erste, mit einem Gefühl völliger Überforderung verbundene Phase überstanden war, lernte ich, die Übungsblätter und Praktikumsvorbereitungen nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Ich gehörte in den meisten Gruppen sogar zu denjenigen, die die höchsten Prozentsätze an Aufgaben lösen konnten, was dazu führte, dass das anfängliche Gefühl der Überforderung sich immer mehr in Freude am Studium wandelte. So ließ sich eine ganze Weile ganz gut studieren. Die Prüfungen waren noch weit weg. Plötzlich rückten die Prüfungen immer näher, und für kurze Zeit verursachte der Gedanke an diese neue Herausforderung wieder ein Gefühl der Überforderung. Allerdings nur für sehr kurze Zeit, denn umso näher die Prüfungen kamen, umso größer wurde auch mein Glaube daran, dass ich die Prüfungen bestehen würde … Jetzt könnte man meinen, unter diesen Voraussetzungen wäre das Semester leicht zu beenden gewesen, aber dann vergisst man einen wichtigen Aspekt. Diese Sicherheit, die wohl bei den meisten zu einer guten ausgeglichenen Stimmungslage geführt hätte, bewirkte bei mir eher das Gegenteil. Umso sicherer ich war, die Prüfungen bestehen zu können, umso schlechter ging es mir, was sich vor allem dadurch bemerkbar machte, dass es mir oftmals wieder schwerfiel, am Morgen überhaupt aufzustehen, in die Uni zu gehen, und dass ich immer häufiger wieder das Bedürfnis (aber auch nur das Bedürfnis) hatte, mich zu verletzen … Es sah ganz danach aus, dass ich die Prüfungen bestehen würde und folglich im Oktober weiterstudieren würde, mit der Aussicht, auch dieses Semester erfolgreich zu absolvieren, und so würde ich, wenn ich es nicht aktiv verhinderte, womöglich irgendwann mit einem abgeschlossenen Studium dastehen. Und auch, wenn das wohl das ist, was sich die meisten, die mit einem Studium beginnen, erhoffen, war genau das der Grund, warum es mir eben nicht besser, sondern schlechter ging. Eigentlich hätte mir das schon vorher bewusst sein können und das war es zu einem Teil wohl auch gewesen … In Wirklichkeit kannte ich diese Situation bereits sehr gut … Das letzte Mal, als es mir richtig schlecht ging, war während der Abiturprüfung gewesen, und zwar nicht, weil ich Angst hatte, sie nicht zu bestehen, sondern eben weil es sicher war, dass ich sie bestehen würde …

Only gold members can continue reading. Log In or Register to continue

Stay updated, free articles. Join our Telegram channel

Nov 27, 2016 | Posted by in PSYCHOLOGY | Comments Off on Zum Abschluss: Frau P.

Full access? Get Clinical Tree

Get Clinical Tree app for offline access