Urologie



Abb. 19.1.
Anatomie des unteren Harntrakts. a männlich, b weiblich. 1 Detrusor, 2Trigonum, 3 Blasenhals, 4 Prostatakapsel, 5 M.levator ani, 6 M. transversus perinei, 7 M. bulbocavernosus (Aus Palmtag et al. 2007)




19.1.1.3 Nervale Versorgung des unteren Harntrakts


Der untere Harntrakt wird somatisch, parasympathisch und sympathisch durch periphere Nerven versorgt (◘ Abb. 19.2), die in unterschiedlicher Höhe das Rückenmark verlassen: Die parasympathischen Fasern des N. pelvicus steuern wesentlich den Detrusortonus und die Detrusorkontraktionen. Sie entstammen dem sakralen Miktionszentrum S2–S4, ebenso die somatischen Fasern des N. pudendus, der den M. sphincter urethrae externus und den Beckenboden versorgt. Im Gegensatz dazu verlassen die sympathischen Fasern des Plexus hypogastricus schon bei Th10–L2 das Rückenmark und sorgen durch Hemmung des Detrusors und Aktivierung der Blasenhalsmuskulatur wesentlich für die Kontinenz. Die an der Miktion beteiligten Organe werden dabei vom pontinen Miktionszentrum im Hirnstamm gesteuert. Dieses wiederum wird durch auslösende und hemmende Impulse des Cortex cerebri im Lobus frontalis und Corpus callosum gesteuert.


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Abb. 19.2.
Nervale Versorgung des unteren Harntrakts. a sympathische und parasymphatische Innervation von Detrusor und Blasenhals, b symphatische und somatische Innervation von Blasenhals und Sphinkter, c übergeordnetes pontines Miktionszentrum. 1 glattmuskuläre Blasenwand, 2 glattmuskulärer Blasenhals, 3 glattmuskulärer Harnröhrensphinkteranteil, 4 M. Levator ani (quergestreift), 5 M. transversus perineus (quergestreift), 6 M. bulbocavernosus (quergestreift) (Aus Palmtag et al. 2007)


19.1.1.4 Störungen der Miktion


Störungen der Miktion können sowohl physiologisch/anatomisch durch morphologische Störungen der an der Miktion beteiligten Organe bedingt sein als auch neurologisch durch Schäden in allen Bereichen des Cortex cerebri bis hin zur Synapse des peripheren Nerven (◘ Abb. 19.2). Wenngleich neurologische Ursachen bei dem hier betrachteten Patientenklientel häufig im Vordergrund stehen, sind auch anatomisch/pathophysiologisch bedingte Erkrankungen wie z. B. die Prostatavergrößerung beim älteren Mann unbedingt in die diagnostischen und therapeutischen Überlegungen miteinzuschließen.


19.1.1.5 Der Miktionsreflex


Die normale Blasenentleerung beginnt urodynamisch gesehen mit der Erschlaffung des Beckenbodens und des Sphinkter externus. Der Blasenboden senkt sich, der hintere Anteil der Harnröhre weitet sich, wird kürzer, und der Blasenhals öffnet sich. Anschließend kontrahiert sich der M. detrusor vesicae, und der Blaseninnendruck steigt. Der Harnfluss beginnt. Zur Beendigung der Miktion schließt sich der Sphinkter externus und der oben beschriebene Prozess läuft in umgekehrter Reihenfolge ab.

Neurologisch wird die Miktion durch das Miktionszentrum im sakralen Rückenmark koordiniert. Der Reflex wird beim Erwachsenen willkürlich gesteuert, hierbei spielen die afferenten Signale der sensiblen Fasern eine entscheidende Rolle. Der somatische Anteil des M. sphincter externus relaxiert. Durch Abnahme der hemmenden Impulse aus dem Kortex wird außerdem das Miktionszentrum getriggert. Die Koordination der Blasenentleerung wird dabei wesentlich durch das vegetative Nervensystem gesteuert. Über den aus dem Sakralmark kommenden N. pelvicus werden die parasympathisch-cholinergen Fasern des M. detrusor vesicae aktiviert. Gleichzeitig werden in Kombination mit sympathisch-adrenergen Nerven aus dem Plexus hypogastricus Blasenhals, Sphinkter und proximale Harnröhre relaxiert. Der Harnfluss beginnt (Yoshimura u. Chancellor 2007).


19.1.1.6 Die neurogen gestörte Speicherfunktion der Blase


Die Harnspeicherung ist ein vegetativ gesteuerter unwillkürlicher Vorgang. Bei zunehmender Blasenfüllung steigt der intravesikale Druck langsam bis normalerweise max. 15 cmH2O an. Gesteuert durch die afferenten Fasern des Plexus hypogastricus wird ohne zentrale willkürliche Steuerung als spinaler Reflex der Tonus von Blasenhals, proximaler Harnröhre und Sphinkter entsprechend der Druckverhältnisse erhöht. Ab einem Füllungsvolumen von etwa 150 ml werden die afferenten Signale nicht mehr spinal unterdrückt und an den Kortex weitergeleitet, was bewusst als erster Harndrang registriert wird.


19.1.1.7 Formen der Harninkontinenz


Ist die Speicherfunktion der Blase gestört, kann sich dies klinisch als Harninkontinenz auswirken. Die Inkontinenz wird in fünf verschiedene Formen unterteilt, wobei es auch Mischformen gibt (◘ Tab. 19.1). Außer bei der extraurethralen Inkontinenz kann bei allen Formen eine teilweise oder alleinige neurogene Ursache vorliegen.



Tab. 19.1.
Formen der Inkontinenz

























Formen

Klinisches Bild

Belastungsinkontinenz

Harnverlust bei insuffizientem Harnröhrenverschluss unter Belastung und unauffälliger Blasensensibilität und -motorik

Urge- oder Dranginkontinenz

Harnverlust bei gesteigertem Harndrang und nicht hemmbarer Blasenmotorik bei intaktem Harnröhrenverschlussmechanismus

Überlaufinkontinenz

Harnverlust bei großen Restharnmengen und mangelhafter oder fehlender Blasenmotorik

Reflexinkontinenz

Harnverlust bei selbstständiger, unwillkürlicher Blasenkontraktion ohne Harndrang

Extraurethrale Inkontinenz

Harnverlust außerhalb der Urethra


Belastungsinkontinenz

Die Belastungsinkontinenz ist die häufigste Inkontinenz bei Frauen, wenn in zunehmendem Alter oft bei Adipositas und nach Geburten der Verschlussmechanismus aus Harnröhre und Beckenboden nicht mehr suffizient ist. Aufgrund des verminderten Verschlussdrucks des M. sphincter externus übersteigt der Blaseninnendruck bei Belastung den urethralen Widerstand, es resultiert Inkontinenz bei ansonsten ungestörter Motorik des M. detrusor vesicae.

Neurologische Ursachen der Belastungsinkontinenz können ein verminderter Harnröhrentonus bei Läsion des sympathischen Nervengeflechts oder eine verminderte Reflextätigkeit des Beckenbodens sein.


Dranginkontinenz

Bei der Urge- oder Dranginkontinenz ist der Harnröhrenverschlussmechanismus vollständig intakt. Die Inkontinenz kommt dadurch zustande, dass der M. detrusor vesicae durch zu starke Kontraktion zu unphysiologisch hohem Blaseninnendruck führt und infolge der normale Harnröhrenverschlussdruck nicht mehr ausreicht. Dies kann lokale Ursachen wie bakterielle oder abakterielle Entzündungen der Blase haben.

Neurologisch gesehen resultieren bei der Dranginkontinenz stark vermehrte afferente Impulse von der Blase zum Miktionszentrum, die eine nicht unterdrückbare Miktion mit starkem Harndrang auslösen. Aber auch eine gestörte zentralnervöse Hemmung des sakralen Miktionszentrums kann zur Dranginkontinenz führen.


Überlaufinkontinenz

Als Überlaufinkontinenz wird der Harnverlust bei extrem gefüllter Blase bezeichnet, wobei der Innendruck der Blase aufgrund der mechanischen Begrenzung der Blasenwand den ansonsten normalen Harnröhrenverschlussdruck übersteigt und es zum Harnverlust ohne übersteigerten Harndrang kommt. Häufigste nicht neurologische Ursache beim Mann ist das BPS (benignes Prostatasyndrom), wobei eine Dilatation der Blase aus der chronischen Obstruktion der proximalen Harnröhre durch die vergrößerte Prostata resultiert.

Neurologische Ursache für die Überlaufinkontinenz ist häufig eine vorausgegangene Operation mit Schädigung der die Blase versorgenden peripheren Nerven (infranukleäre Läsion).


Reflexinkontinenz

Als Reflexinkontinenz wird die selbstständige, unwillkürliche und oft vollständige Blasenentleerung ohne Harndrang bezeichnet.

Die Reflexinkontinenz resultiert häufig bei einer spinalen Läsion oberhalb des sakralen Miktionszentrums, die deswegen auch als supranukleäre Läsion bezeichnet wird.


Extraureterale Inkontinenz

Die extraurethrale Inkontinenz, bei der es zu Harnverlust außerhalb der Harnröhre kommt, kann erworben sein durch





  • eine angeborene Fehlbildung oder


  • die Ausbildung einer Fistel aufgrund



    • entzündlicher Prozesse,


    • postoperativ oder


    • nach einer Röntgenbestrahlung.

(Yoshimura u. Chancellor 2007; Baumann u. Tauber 1991).


19.1.1.8 Die neurogen gestörte Blasenentleerung


Eine Blasenentleerungsstörung ist symptomatisch sehr häufig mit einer Speicherstörung kombiniert. Die Störung kann vesikal im Bereich des Detrusors oder infravesikal im Bereich des Blasenauslasses/Sphinkters gelegen sein (◘ Tab. 19.2).



Tab. 19.2.
Neurogene Blasenentleerungsstörungen





























Ort der Störung

Art der Störung

Grund der Störung

Vesikal

Sensorisch

Diabetes mellitus, Alkoholismus, Urämie, Guillain-Barré-Syndrom

Motorisch

Querschnitt, Bandscheibenvorfall, Kauda-Konus-Syndrom, Z.n. Beckenchirurgie

Infravesikal

Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie

Schädigung oberhalb des sakralen Miktionszentrums

Dysfunktionelle Miktion

Bei Kindern

Detrusor-Blasenhals-Dyskoordination

Ohne neurologische Grunderkrankung


19.1.1.9 Vesikal gestörte Blasenentleerung


Vesikal kann entweder eine sensorische oder eine motorische Störung vorliegen: Die sensorische Störung (hypo- oder asensitive Blase) kommt häufig bei peripherer Polyneuropathie (z. B. bei Diabetes mellitus) vor. Hierbei sind das Gefühl der Blasenfüllung und der Harndrang vermindert oder sogar gänzlich aufgehoben. Im Gegensatz dazu liegt bei der motorischen Störung (Detrusorhypoaktivität) eine unzureichende Detrusorkontraktion während der Miktion vor. Ursächlich können alle Schädigungen des sakralen Rückenmarks, der Spinalnerven oder der peripheren vegetativen Nerven mit motorischen Efferenzen zur Harnblase sein (z. B. Querschnittslähmung unterhalb Th10, Bandscheibenvorfall, Zustand nach großen Operationen im kleinen Becken). Es gibt auch die myogene Form der Detrusorhypoaktivität, wenn es z. B. durch Überdehnung der Blase zur Hemmung der myogenen Reizübertragung gekommen ist.

Bei allen vesikal bedingten Störungen resultieren klinisch Restharn, Überlaufinkontinenz und im Extremfall der Harnverhalt.


19.1.1.10 Infravesikal gestörte Blasenentleerung


Die infravesikal neurogen gestörte Blasenentleerung tritt bei einer Schädigung des Rückenmarks oberhalb des sakralen Miktionszentrums auf. Die vom pontinen Miktionszentrum gesteuerte Koordination zwischen Detrusor und Sphinkter entfällt. Dadurch kommt es gleichzeitig mit der Detrusorkontraktion zu einer unwillkürlichen Kontraktion des Sphinkters. Es resultieren hohe Drücke in der Blase, die sich bis in die Nieren fortsetzen können und unbehandelt zur Niereninsuffizienz führen. Das Krankheitsbild wird als Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie bezeichnet und ist von funktionellen Störungen ohne neurologisches Korrelat (Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination) abzugrenzen (Heidler u. Schumacher 2004).




19.2 Untersuchungstechniken


Das Erkennen einer Miktionsproblematik bei Patienten in der neurologischen Rehabilitation sollte frühzeitig erfolgen, um rechtzeitig eine Therapie einleiten zu können und etwaige Folgeschäden zu verhindern. Folgende Untersuchungen sollten unbedingt Bestandteil des Aufnahmebefunds sein:



  • Miktionsanamnese,


  • körperliche Untersuchung,


  • Harnanalytik sowie


  • orientierende Sonographie.


19.2.1 Anamnese


Für die urologische Anamnese ist insbesondere die Frage nach den Miktionsverhältnissen bedeutend. Ebenso wichtig sind Fragen nach



  • dem Vorhandensein fieberhafter oder nicht fieberhafter Harnwegsinfekte und bisher durchgeführten antibiotischen Therapien,


  • Mastdarmfunktion (Inkontinenz?),


  • Sexualfunktionen und


  • Medikamentenanamnese.

Bei der Miktionsanamnese sollte gezielt nach den verschiedenen Kriterien irritativer und obstruktiver Symptomatik sowie evtl. Inkontinenzsymptomatik gefragt werden, da gerade Letzteres in der Gesellschaft weiterhin ein Tabuthema ist und die Patienten oftmals nicht von selbst darüber berichten. Hilfreich kann ein Miktionstagebuch (◘ Abb. 19.3) sein, in dem Miktionszeiten, Urinmenge, evtl. Harnverlust und Symptome wie Dysurie, Algurie oder das Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung genau notiert werden. Auch validierte Fragebögen wie der IPSS (International Prostate Symptom Score) können helfen, eine therapiebedürftige Blasenentleerungsstörung zu erkennen. Der IPSS kann als offizielle Version von der Deutschen Gesellschaft für Urologie aus dem Internet geladen werden (www.uro-malzev.de/ru/ipss.pdf).


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Abb. 19.3.
Miktionstagebuch (Mit freundlicher Genehmigung, Yamanouchi Pharma GmbH)

Bei bestehender Blasenfunktionsstörung ist es Ziel der Anamnese und weiterer Untersuchungen, diese genau zu klassifizieren. Wichtig ist auch die Evaluation etwaiger urologischer Begleiterkrankungen und der diesbezüglich bisher durchgeführten Behandlung.

Nicht nur bei jüngeren Patienten ist für die Lebensqualität auch die Erhebung der Sexualanamnese bedeutsam. Auch hier stehen für die Validierung der subjektiven Beschwerdesymptomatik geschlechtsspezifische Fragebögen zur Verfügung:



  • FSFI (Female Sexual Function Index) für die Frau und


  • IEFF (Internationale Index of Erectile Function) für den Mann.

Auch diese sind im Internet frei verfügbar (z. B. www.urologie-intern.de/documents/Form_IEEF5.pdf, www.obgynalliance.com/files/fsd/FSFI_Pocketcard.pdf). Aus neueren Untersuchungen ist bekannt, dass in der Altersgruppe der 70- bis 79-Jährigen noch bis zu 70 % sexuell aktiv sind. Demgegenüber steht, dass 88,7 % aller Postinfarktpatienten noch ½ Jahr nach dem Ereignis ihre frühere sexuelle Aktivität nicht wieder aufgenommen haben, und das z. T. aufgrund falscher ärztlicher Ratschläge (Schmailzl 2011).


19.2.2 Körperliche Untersuchung


Die körperliche Untersuchung sollte aus urologischer Sicht neben dem allgemeinen Status gerade bei Patienten, die sich bei Aufnahme möglicherweise nicht adäquat äußern können, eine genaue Inspektion des äußeren Genitale beinhalten, um z. B. Dermatosen als Zeichen einer bisher nicht erkannten Inkontinenz erkennen zu können. Eine rektale Untersuchung zur Beurteilung des Rektums und beim männlichen Patienten der Prostata sollten allein schon aus Vorsorgegründen nicht unterbleiben.

Die neuro-urologische Untersuchung, mit Erfassung



  • des Analsphinktertonus,


  • des anokutanen Reflexes und


  • des Bulbocavernosusreflexes,


  • der Willkürkontraktionen von Anus und Beckenboden sowie


  • der Sensibilität im Bereich der „Reithose“ (Dermatome S2–S5),

sollte insbesondere nach Querschnittslähmung und bei sonstigem Verdacht auf eine neurogene Blasenentleerungsstörung unbedingt erfolgen.

Bei Langzeitbehandlung sind wiederholte Untersuchungen erforderlich, da die neurogene Blasenentleerungsstörung im Verlauf der Rehabilitation nicht statisch ist. Sie kann eine Eigendynamik entwickeln und je nach Zeitpunkt auch unterschiedlichen Therapien erfordern.


19.2.3 Harnanalytik



19.2.3.1 Uringewinnung


Das Ergebnis einer Harnanalytik kann nur so gut sein wie die Qualität der Probengewinnung selbst. Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie ist die Methode der Wahl zur Uringewinnung bei Mann und Frau der einwandfrei gewonnene Mittelstrahlurin (Naber 1999).

Einwandfrei gewonnener Mittelstrahlurin bedeutet: Reinigung der Glans/Labien mit Wasser (nicht Desinfektion) und bei der Frau Auseinanderspreizen der Labien. Beginn der Miktion und Auffangen der zweiten (mittleren) Portion in ein steriles Gefäß.

Wenn die einwandfreie Gewinnung von Mittelstrahlurin nicht gewährleistet ist, sollte der Urin mittels Einmalkatheterismus unter sterilen Bedingungen (▶ Abschn. 19.3.2.1) gewonnen werden. In seltenen Fällen ist eine Uringewinnung mittels suprapubischer Blasenpunktion erforderlich.

Die Urinprobe sollte nach der Gewinnung möglichst innerhalb einer Stunde weiterverarbeitet werden. Ist dies nicht möglich, kann sie für einige Stunden im Kühlschrank aufbewahrt werden. Ansonsten drohen Verfälschungen des Ergebnisses. Bei Überschreitung der Zeit sollte eher eine neue Probe entnommen werden als eine möglicherweise falsche Therapie zu riskieren.

Eine Besonderheit der Urinuntersuchung ergibt sich bei differenzialdiagnostischer Fragestellung entzündlicher Erkrankungen der Harnröhre oder Prostata. Zur Diagnostik gehört hier zusätzlich die Gewinnung von Exprimaturin nach Prostatamassage im Rahmen der sog. Drei-Gläser-Probe (◘ Tab. 19.3).



Tab. 19.3.
Differenzierung des Infektionsorts: Drei-Gläser-Probe



















Urinportion

Aussage über

Beginn der Miktion

Harnröhre

Mittelstrahlurin

Harnblase

Nach Prostatamassage

Prostata


19.2.3.2 Urinteststreifen


Das schnellste und am weitesten verbreitete Verfahren zur Urinuntersuchung ist der Teststreifen (Urin-Stix; ◘ Abb. 19.4 a). Dieser liefert erste Hinweise auf eine möglicherweise vorliegende Harnwegsinfektion und kann im Zusammenhang mit der makroskopischen Beschaffenheit der Urins („Harnschau“, bereits in der Antike beschrieben; ◘ Abb. 19.4 b) und dem Geruch wegweisend für die Einleitung einer antibiotischen Therapie sein.


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Abb. 19.4
a, b. Harnanalytik. a Urinstreifentest. Verschiedene Befunde der semiquantitativen Untersuchung. b Harnbeschau. Urinbefunde (von links nach rechts): Makrohämaturie, konzentrierter Urin, Normalbefund, Pyurie

Ein Urinteststreifen sollte mindestens die semiquantitative Bestimmung von Leuko- und Erythrozyten sowie das Vorhandensein von Nitrit als Bakterienabbauprodukt ermöglichen (◘ Tab. 19.4). Der Nachweis von Protein im Urin dient zur Abklärung renaler Erkrankungen und ist für die Infektdiagnostik nicht entscheidend (Little et al. 2006). An weiteren Parametern werden auf den handelsüblichen Kombinationsstreifentests u. a. pH-Wert, Glukose, Ketone, Bilirubin und Urobilinogen bestimmt.



Tab. 19.4.
Teststreifenergebnis und Diagnosesstellung bei Patienten mit Infektsymptomatik





















Teststreifenergebnis

Diagnose

– Nitrit und Leukozyten positiv

– Nitrit positiv und Leukozyten negativ

– Erythro-/Leukozyten positiv

Harnwegsinfektion annehmen, keine weitere Diagnostik

Nitrit negativ, Leukozyten positiv

Harnwegsinfektion wahrscheinlich

Nitrit und Leukozyten negativ

Harnwegsinfektion weniger wahrscheinlich

(Empfehlung der S3-Leitlinie [Naber et al. 2010])

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Dec 11, 2016 | Posted by in NEUROLOGY | Comments Off on Urologie

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